Donnerstag, 28. Februar 2013

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Meine neuen Reiseabenteuer findet ihr unter: http://mhudrr.blogspot.de/

Montag, 4. Februar 2013

Tsunami

Inzwischen waren schon über zwei Monate vergangen, seit ich zum ersten Mal Fuß auf Okinawa gesetzt hatte und es war eine sehr schöne, wenn auch anstrengende Zeit. Ich ging jeden Morgen um sechs Uhr mit Hachi, Yaekos Wachhund bei den Mangogewächshäusern Gassi, wir ernteten noch immer Gemüse, seit kurzen jedoch auch eine langstielige, gelbe Blume, die leicht scharf schmeckte und in kleinen Sträussen zu erwerben war -  beispielsweise als Salatwürze. Noch immer jäteten wir die Mangohäuser und entsteinten Felder. Alles war sehr geordnet und geregelt.

Am 11. März 2011 änderte sich unsere Routine jedoch plötzlich.

Wir waren zusammen mit Yaeko-san gerade damit beschäftigt, auf dem frisch gepflügten Feld, das wir seit Wochen in zäher Arbeit entsteint bzw. entfelst hatten, kleine Setzlinge der weißen Aubergiene einzupflanzen und zu bewässern, als Akihito-san auf seinem Motorrad angebraust kam.
Er war sehr aufgebracht und erzählte uns sogleich, dass es vor Tōhoku ein schweres Seebeben gegeben hatte, das sogar in Tokio noch zu spüren gewesen war. Ein gewaltiger Tsunami hatte sich wenig später über diese Region gewälzt und viel Schaden angerichtet. Yaeko hatte ein Radio dabei und so verfolgten wir mit gemischten Gefühlen die Nachrichten, während wir weiter Auberginen pflanzten und bewässerten. Das war ein wenig ironisch, denn es wurde erwartet, dass die Nachwellen auch Okinawa gegen sechs Uhr abends erreichen würden.
Und Okinawa ist flach. Sehr flach.
Noch dazu lag Yaeko-sans Haus nicht einmal 500 Meter vom Meer entfernt in einem winzigen Dörfchen. Vermutlich war die ganze Bewässerung der Setzlige umsonst, wir würden wohl alle nasse Füße bekommen.

Dennoch arbeiteten wir bis fast fünf Uhr weiter. Aus Lautsprechern, die an den größeren Straßen lagen, tönten Warnmeldungen zu uns herüber, die besagten, dass man sich unbedingt vom Strand fern halten solle. Yaeko-san schien das alles sehr gelassen hinzunehmen (obwohl ihr Sohn in Tokio lebt) und das Merkwürdige ist, dass man sich leicht von den Stimmungen um einen herum anstecken läßt. Also dachte auch ich bald: "Es kommt, wie es eben kommt". Dennoch machte auch ich mir Sorgen um all die Menschen, die auf der Hauptinsel lebten. Durch einen Zufall kannte ich in der betroffenen Region niemanden persönlich, da ich genau diesen Teil Honshus ausgelassen hatte und mit dem Zug von Niigata nach Tokio gefahren war.

Ich duschte noch kurz, nachdem wir nach Hause zurückgekehrt waren. Als ich in den kleinen Gemeinschaftsraum kam, der zugleich als Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Esszimmer fungierte, lief bereits der Fernseher mit den sich stetig wiederholenden, amateurhaften Filmen. (Meist waren es Aufnahmen aus den obersten Stockwerken hoher Gebäude oder herangezoomt aus weiter Entfernung)
Die Bilder waren furchtbar - ungeheure Wassermassen schwappten über meterhohe Schutzwälle, als wären sie nicht da, ergossen sich auf Strassen, spülten Schiffe und Autos zwischen den Häusern hindurch und vermischten alles, bis man nicht mehr wusste, wo einmal Land und wo einmal Meer gewesen war. Noch schlimmer aber wurden sie, als das Wasser sich wieder zurückzog und dabei alles mitnahm, was nicht niet- und nagelfest war.
In der unteren, rechten Ecke des Bildschirms befand sich eine kleine Karte von Japan, in der die gefährdeten Regionen unaufhörlich rot blinkten. Anfangs waren es noch alle Inseln, aber mit dem Voranschreiten des Abends wurden Hokkaido, Honshu und Kyushu erst orange und dann gelb, bis nur noch Okinawa rot aufleuchtete.

Komisch, das sich bei uns noch gar nichts verändert hatte. Keine Geräusche vom Meer her, kein nasser Fußboden - alles wie immer. Als gegen acht Uhr noch immer nichts passiert war, hielt ich es nicht mehr aus. Die Berichte im Fernsehen wiederholten sich ohnehin ständig und ich war einfach zu neugierig, als weiter im Haus auf die Welle zu warten, die vermutlich nicht mehr kommen würde.
Also ging ich hinunter zur Haupttrasse, die direkt an der Schutzmauer lag. Irgendetwas war anders, ganz klar, aber ich wusste nicht sofort, was es war.
Doch auf einmal dämmerte es mir: Das Wasser war weg!

Die komplette Bucht war vollkommen ausgetrocknet. Dort, wo das Meer hätte anfangen sollen, war ein gigantischer Sandstrand, der sich, soweit ich in der Dunkelheit erkennen konnte, bis hin zum Horizont erstreckte!
Das war mir dann doch nicht mehr ganz geheuer, denn irgendwann würde das Wasser zurückkommen und wer weiß mit welchen Auswirkungen?
So ging ich lieber wieder zurück zum Haus, da Yaeko-san mich ohnehin nicht gern hatte gehen lassen und sich Sorgen machte.

In dieser Nacht schlief wohl keiner richtig gut. Während des Frühstücks lief schon wieder der Fernseher und wir erfuhren in vollem Ausmass von den Schäden, die der Tsunami angerichtet hatte. Nach und nach konzentrierten sich die Nachrichten immer mehr auf ein Atomkraftwerk in Fukushima, doch ich verstand leider nicht, worüber die Männer diskutierten. Immer wieder wurden Reden von Verantwortlichen gehalten und ich fragte Akihito-san, doch der meinte, es wäre nichts Besonderes.
Über den GMX-Lifeticker erfuhr ich dann von dem beschädigten Reaktor, doch da GMX wie auch die Bildzeitung zu Übertreibungen neigt, nahm ich das alles nicht so wirklich erst. Besonders als von einer "halben Kernschmelze" die Rede war. Was bitte ist darunter zu verstehen? Entweder es gibt eine, oder nicht. Eine halbe ist gar nicht möglich. Von da an verfolgte ich keine Nachrichten im Internet mehr und versuchte mich auf die Arbeit zu konzentrieren.
Das war allerdings nicht so einfach, denn meine Verwandten und Freunde in Deutschland rieten mir schleunigst zur Abreise. Diesbezüglich war jedoch nichts zu machen. Auch wenn ich gewollt hätte. Die Flüge und Fähren waren hoffnungslos ausgebucht, noch dazu hatte ich jetzt erst recht keine Lust meine Gastfamilie im Stich zu lassen.
In ein paar Tagen würde ich ohnehin nach Taiwan zu Mei fliegen. Die paar Tage würden nun auch keinen Unterschied machen. Am 15. März kam dann Yaekos Sohn mit seiner Familie in Okinawa an. Auch wenn ich mich wie eine Ratte fühlte, die das sinkende Schiff verlässt war mir klar, dass meine Anwesenheit hier nicht gebraucht wurde. Vielmehr war meine Abreise erwünscht, denn viel Platz war hier sowieso nicht. Mit dieser Gewissheit fiel es mir leichter, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass mein Auslandsjahr nun vorbei war.

Ergänzung:
Ich verbrachte nur eine Woche in Taiwan. Eigentlich waren zwei geplant, weil ich auch noch ein buddhistisches Kloster im Norden der Insel besichtigen wollte, aber das Drängen meiner Familie wurde stärker und ich wollte sie nicht unnötige beunruhigen. Ausserdem waren meine finanziellen Mittel so gut wie aufgebraucht. Also liess Mei den Flug für einen ordentlichen Aufschlag (den aber meine Eltern zahlten) umbuchen und ich war noch vor Ende März wieder in good old Germany.

Ich brauchte eine ganze Weile um mich zu akklimatisieren - schließlich trennten mich Welten von dem, was bis vor kurzem zu meinem Alltag gehört hatte. Ich fand jedoch sehr schnell einen neuen Job und hatte somit wieder einen Alltag in Deutschland. Schließlich musste ich sparen, denn das nächste große Abenteuer erwartete mich: 2012 wollte ich ein Jahr in Neuseeland verbringen und davor noch eine Weile in Südamerika verbringen. :)
Den zugehörigen Blog findet ihr auf meinem Profil unter "Mondhäschen und die Rescue Ranger" oder einfach unter http://mhudrr.blogspot.de/

Mata ne
Kiri

Samstag, 26. Februar 2011

Okinawa: Haisai, Shiisa und Mangogaerten

Am Faehrenterminal angekommen, musste ich noch eine ganze Weile die Zeit tot schlagen, bis endlich mein Schalter oeffnete und ich das Ticket kaufen konnte. 16.000 Yen (etwa 160 Euro) waren fuer so eine Ueberfahrt nicht gerade billig, aber die Fluege, die ich ohne Probleme (also ohne Kanjikenntnisse) haette buchen koennen, fingen erst bei ca. 400 Euro an.

Eine immer groessere Menschenmenge versammelte sich nun in der Terminalhalle und ich ergriff die Flucht, um den Horden zu entkommen. Draussen las ich mir die Wegbeschreibung zu meinem Dock durch. Dieser zufolge, gab es wohl einen Bus, der uns alle zur Anlegestelle bringen wuerde. Noch immer war mehr als eine Stunde zu ueberbruecken und so beschloss ich, Proviant kaufen zu gehen, denn die Ueberfahrt wuerde gute zwei Tage dauern und wer weiss, wie es um die Verpflegungsangebote auf dem Schiff stuende? Der Infozettel besagte, dass es kein Restaurant gaebe.

Ich schaute mich suchend um. In welcher Richtung wuerde ich wohl am Schnellsten auf einen Convinience Store treffen?
Mein Blick fiel auf drei Auslaender, die in meine Richtung schauten und sich unterhielten. Ich laechelte ihnen zu und das schien sie zu ermutigen, naeher zu kommen. (In Japan ist es ein Phaenomen, dass viele Westler nichts von anderen ihrer Art wissen wollen und sie teils komplett ignorieren. Zumeist sind es solche, die gerne selbst Japaner waeren und versuchen, ja nicht mit ihresgleichen in Verbindung gebracht zu werden. Zu schrecklich waere es fuer diese Wunsch-Japaner, fuer einen gewoehnlichen Touristen gehalten zu werden!) Wie sehr viele andere, eingeborene Japaner jedoch, habe ich nichts dagegen, Menschen anderer Nationalitaeten zu treffen.

So lernte ich Catriona, Marc und Emily kennen.
Sie kamen aus Schottland, Canada und England und unterrichteten alle Englisch in der Praefektur Kochi. Auch sie wolten nach Okinawa, allerdings nur fuer einen einwoechigen Urlaub.

Da auch sie Verpflegung kaufen wollten, machten wir uns gemeinsam auf den Weg und deckten uns in einem Lawson mit verschiedenen Backwaren, Snacks und Getraenken ein.
Auf dem Rueckweg mussten wir uns dann doch noch ziemlich ins Zeug legen, um den Bus nicht zu verpassen, weil das Geschaeft einen fast 20minuetigen Fussmarsch entfernt lag.

Bereits jetzt verstanden wir uns sehr gut und die Freude war daher umso groesser, als wir feststellten, dass unsere "Betten" auf der Faehre nebeneinander lagen. Nun, es waren eigentlcih nur sehr schmale Matratzen in einem Raum fuer etwa 70 Personen, denn keiner von uns hatte genug Geld fuer die 2. Klasse.
So lagen wir wie die buchstaeblichen Sadinen in der der Dose. Zu meinem Pech lag neben mir ein alter Herr, der nachts laut schnarchte, sich umherwarf und meinen sowieso schon geringen Schlafplatz beanspruchen wollte. Ich musste ihn mir stets vom Leib halten, was alles andere als angenehm war, denn er roch etwas stark.

Als wir gerade Kyushu hinter uns gelassen hatten und Kurs auf Okinawa nehmen wollten, schlug das, sowieso schon unschoene Wetter um:
Hohe Wellen schuettelten uns ordentlich durch, normales Gehen an Bord war schon nicht mehr moeglich. Wir fuhren zwar noch ein bisschen weiter, aber angesichts der Gefahr drehten wir zu guter letzt um und ankerten in ruhigeren Gewaessern. Gegen Mittag war eine Weiterfahrt noch immer nicht moeglich. Deshalb wurde angekuendigt, das Schiff wuerde kurz in Kagoshima, einem Hafen in Kyushu anlegen. Alle die wollten, oder muessten, koennten dort aussteigen, alle Uebrigen sollen an Bord bleiben und "auf besseres Wetter" warten.

Leider gingen meine drei neuen Freunde von Bord. Fuer sie wuerde es sich nicht lohnen zu warten, da ihr Urlaub dafuer einfach zu kurz war. Stattdessen hatten sie sich spontan mit der Idee fuer eine Tour durch Kyushu angefreundet. (Ich hatte ihnen meinen Reisefuehrer geliehen, aus dem sie sich einige Informationen heraussuchen konnten).
Wir tauschten noch Adressen aus und ich verprach, ihnen allen eine Postkarte aus Okinawa zu schicken (wenn ich denn ankaeme). Zum Schluss gaben sie mir ihren restlichen Proviant als Abschiedsgeschenk: Wer weiss, wie viele Tage ich wuerde warten muessen? Sehr viel Bargeld hatte ich dank des teuren Ticktes auch nicht mehr uebrig und daher war ich froh, mir an Bord nicht allzuviel kaufen zu muessen. (Es gab nur ein paar Automaten, an denen man sich Fertiggerichte und Getraenke ziehen konnte und die waren natuerlich fast doppelt so teuer, wie auf dem Festland).

Nachdem alle ausgestiegen waren, fuehlte ich mich natuerlich zunaechst etwas einsam. Nun war ich der einzige Westler auf dem Schiff. Doch bald fand ich neuen Anschluss: Eine aufgeschlossene, japanische Familie aus Neuseeland war zu meinem Glueck auch an Bord. Da alle sehr gut Englisch sprachen, konnten wir zum Zeitvertreib viele interessante Gespraeche fuehren und sie erzaehlten mir viel von ihrem Land.
Neuseeland war schon damals in meine engere Wahl fuer den Auslandsaufenthalt gefallen und ich hatte beschlossen, naechstes Jahr zumindest einige Monate dort zu verbringen. Da hatte ich nun natuerlich dei beste Informationsquelle zur Hand und das nutzte ich auch aus.

Das Wetter war inzwischen nicht besser geworden und das aenderte sich auch in den folgenden Tagen nicht.

Sylvester feierten wir deshalb an Bord!

Ein ungewoehnlicheres Sylvester habe ich noch nie erlebt, aber lustig und ausgelassen war es trotzdem. Wir fuehlten uns bereits wie eine grosse Familie - schwierige Situationen schweissen Menschen ja stets zusammen.
Einer der Passagiere entkorkte sogar eine teure Sakeflasche, die er seinen Freunden auf Okinawa als So
uvenier hatte mitbringen wollen und teilte sie nun mit allen. Im Gegenzug bekam er Bier aus dem Automaten. Etwas anderes stand leider nicht zur Verfuegung, aber das war eigentlich keinem so wichtig. Jeder knapste auch etwas von seinem Proviant ab und damit fuellten wir einen ganzen Tisch...
Waehrend wir auf den Countdown warteten, blieben die Nachrichten im Fernsehen (das wir gluecklicherweise empfangen konnten) ueber die Wetterlage gleich: Schneestuerme - nun auch in Japan - legten Zuege, Flugzeuge und Schiffe lahm: Unsere Faehre war eine der letzten, die ueberhaupt ausgelaufen war, erfuhren wir nun. Menschen sassen an zugigen Bahnhoefen, Flughaefen und Terminals fest, ein Weiterkommen war derzeit unmoeglich.

Da hatte es uns in unserem schwimmenden Gemeinschaftsraum doch gar nicht so schlimm getroffen. Es war warm, wir hatten einen Platz zum Schlafen, genug zu Essen (wenn auch einseitig), konnten duschen (nun musste allerdings Wasser gespart werden, weshalb "Duschzeiten" eingefuehrt wurden) und nun sogar feiern!
Zudem hatte die Crew angekuendigt, auf jeden Fall zu warten, bis eine Ueberfahrt moeglich war, denn zu unserem Glueck befanden sich wichtige Handelsgueter an Bord, die benoetigt wurden.

Erst nach Neujahr besserte sich das Wetter und die Fahrt ging - nun reibungslos - weiter.
So kam ich am Abend des 2. Januars endlich auf Okinawa an.

Ich hatte mich schon in meinem Reisefuehrer informiert und war auf ein sympathisch klingendes Gasthaus gestossen, in dem ich logieren wollte und das ganz in der Naehe des Hafens lag.
Doch wie ich nun feststellen musste, gab es mehrere Haefen und derjenige, an dem wir einliefen, war fast am anderen Ende der Stadt!
Am Ausgang traf ich einen Herren, den ich fragte, ob es hier einen Bus oder eine Bahn ins Stadtzentrum gaebe. Er hatte leider auch keine Ahnung, warte aber gerade auf ein Taxi. Ich koenne gerne mit ihm mitfahren.

Erleichtert nahm ich sein Angebot an und waere schon froh gewesen, in belebtere Gebiete zu gelangen, aber der nette Mann liess das Taxi genau vor dem Gasthaus halten und lehnte sogar mein Geld ab... Wenn das nicht mal wieder ein guter Start war! :)

Zudem war die Unterkunft wirklich gemuetlich. Ich musste zwar eine Weile warten, bis die Betreiber zurueckkamen, erstand dann aber fuer 1.500 Yen pro Nacht eine Koje in dem 4-Personen-Raum. Das ganze Haus war mit Strandgut gefuellt; zum Teil war es sogar in den Bau integriert. Duerre, trockene Baumstaemme umrahmten Tueren, Mosaike aus Steinen, Korallen und Muscheln zierten die Waende. Es gefiel mir auf Anhieb.

Auch meine Mitbewohner waren alle sehr nett und freundlich.
Sie halfen mir spaeter sogar dabei, ueber Internet einen billigen Flug nach Taiwan zu finden und begleiteten mich auch noch ins Reisebuero um ihn dort, nochmals verguenstigt, zu buchen.
Am 16. Maerz wuerde ich dort meine Freundin May, die ich bei meiner ersten Gastfamilie auf Hokkaido kennen gelernt hatte, besuchen. Diese hatte mir auch bereits einen Rueckflug nach Deutschland gesichert.

Da ich erst am 5. Januar bei meiner neuen Gastfamilie in der Naehe von Nago anfangen wuerde zu arbeiten, verbrachte ich noch zwei Tage in Okinawas Hauptstadt. Zu meiner Enttaeuschung war das Wetter leider gar nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte angenommen, hier Sonne und azurblauen Himmel vorzufinden, wie man es in allen Reiseprospekten vorgegaukelt bekommt, doch es war immerzu grau und bewoelkt oder regnete sogar. Immerhin war es warm, so liess sich auch das schlechte Wetter ertragen.
Allerdings machten auf diese Weise meine Entdeckungstouren und Spaziergaenge nur halb so viel Spass! Das alles waere im Sonnenschein um so vieles huebscher; Die steinernen Gaesschen, die Palmen, Statuen aus Ton, die niedlichen kleinen Haeuser mit den drolligen Daechern...


Besonders gut gefielen mir die vielen verschiedenen "Shiisa". Das sind Statuen, halb Hund, halb Loewe, die an allen Eingaengen postiert sind.

Einer davon hat hierbei den Mund geoeffnet, waehrend der des anderen geschlossen ist. Das hat auch seinen Grund, denn Ersterer macht dan Laut "Un" (was angeblich das erste Geraeusch bei unserer Geburt ist) und der Zweite "Ah" (das letzte Geraeusch, bevor wir sterben). Zusammen symbolisieren sie daher einen Kreislauf.

Okinawa ist auch fuer seine Glas- und Toepferwaren bekannt. In einer versteckten Gasse fand ich diese Laeden dicht an dicht und einige bieten wirklich so wunderschoene Sachen an, dass ich mich beim Einkauf ehrlich beherrschen musste!

Am Morgen des 5. fuhr ich mit dem Bus nach Nago. Dort wuerde mich jemand abholen und zum Haus meiner neuen Gastmutter bringen.
Akihito-san war erst 30 Jahre alt und unterstuetzte meine Gastmutter Yaeko-san bei geschaeftlichen und organisatorischen Dingen. Sie besitzt mehrere Felder mit Gemuese, Zuckerrohr, Drachenfrucht und sogar einige Mangobaeume, die in Gewaechshaeusern stehen.
Die Mangos bringen ihr wohl den meissten Verdienst im Sommer, doch fuer den Rest des Jahres hat sie mir ihren verschiedenen Gemuesesorten, die sie auf dem Markt verkauft, sowie getrockneten Fruechten auch gut ausgesorgt.

Ich hatte eigentlich vorgehabt, nur zwei Wochen hier zu arbeiten, doch die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erwies sich als aeusserst schwierig, wenn man Japanisch nicht fliessend beherrschte. Nach meiner dritten Absage fragte ich, ob ich nicht bis Mitte Maerz bleiben durfte und durch ein Missverstanis hatten sie das gluecklicherweise von Anfang an so kalkuliert.

Daher verbrachte ich 2 1/2 Monate in Yanbaru Kokaen.



Es war eine herrliche Zeit! Ich lernte so viel und bekam einen wirklich guten Einblick in das Leben auf dieser Farm. Unsere Arbeit bestand abwechselnd und je nach Wetter aus Folgendem: An sonnigen Tagen mussten wir Steine von den frisch gepflügten Feldern räumen (das war sehr anstrengend, denn es waren ordentliche Brocken in rauhen Massen), bei Regen jäteten wir die Mango-Gewächshäuser oder ernteten Hyaku-hyaku-Blätter in anderen. Dabei sagen wir oft oder hörten jeder für sich Musik. Mit der Zeit wurde die Arbeit in den Gewächshäusern aber auch anstrengend, weil man die meiste Zeit in der Hocke verbrachte, einem so die Beine abstarben und der Sauerstoff innerhalb der Plastikwände knapp wurde.
Zu den täglichen Aufgaben gehörte das Ernten des Gemüses (ich war für den Rettich verantwortlich), das Waschen selbigens, sowie das letztendliche Abwiegen und Verpackens für den Markt. Dies wurde immer Vormittags erledigt.



Hier kommen noch ein paar Bilder, um euch einen Eindruck von meiner Zeit auf Okinawa zu vermitteln:





 






















































Ueber diesen Link gelangt ihr auch zur Homepage meiner Gastfamilie, die Posts schreiben die Wwoofer (ja, auch ich - zumindest habe ich es versucht!). Es ist nur auf Japanisch, aber auch hier gibt es zumindest ein paar Bilder zum Ansehen...
http://yanbaru-k.jp/hpgen/HPB/categories/526.html

Ich werde versuchen, diesen Post so bald als moeglich zu vervollstaendigen, aber noch weiss ich nicht, wann ich dazu komme. Vielleicht gelingt es mir in Taiwan, bei meiner Freundin...
Bei der aktuelle Sitation ist aber natuerlich noch nicht sicher, wie lange ich ueberhaupt dort bleiben kann.
Bis dahin schonmal vielen Dank an alle die mitgelesen und mich begleitet haben! Auch wenn das Jahr nicht sehr froehlich endet, habe ich doch viel erlebt und gesehen. Nun freue ich mich auf good old Germany...
Mata ne
Kira

Sonntag, 16. Januar 2011

Eine Woche Biwa-see und Weihnachten in Osaka

Als ich in Otsu ankam, hatte mir mein Couchsurfing-host leider noch immer nicht zurueckgeschrieben.

(Couchsurfing ist eine Internetseite, auf der sich Millionen von Menschen aus allen Teilen der Erde registriert haben und somit eine grosse, freundschaftliche Verbindung bilden. Man kann, nachdem man ebenfalls registriert ist, einzelne Mitglieder anschreiben und anfragen, ob man dort uebernachten darf. Es handelt sich meisstens um eine einmalige Sache und ist kostenlos - rein auf freiwilliger Basis und um die Freundschaft und Kommunikation zwischen verschiendenen Nationalitaeten zu verbessern.)

So beschloss ich, zunaechst einmal die Umgebung zu erkunden und endlich einen Blick auf den Biwa-See zu werfen, den ich schon sehen wollte, seit mir meine Oma das Buch mit Japanischen Erzaehlungen aus dieser Region geschenkt hatte. (Bei Interesse, es heisst: "die acht Gesichter vom Biwa-See")

Durch den schweren Rucksack hatte ich natuerlich keine Lust auf lange Wanderungen am Seeufer entlang, der ohnehin die optischen Ausmasse eines kleinen Meeres hatte. Daher begnuegte ich mich dort lediglich mit einem kleinen Picknick, genoss den Ausblich und machte mich anschliessend auf die Suche nach einer guenstigen Unterkunft, sollte ich spaeter noch immer keine Nachricht erhalten haben. Zudem war es ziemlich kalt (schon Mitte Dezember) und ein eisiger Wind pfiff mir um die Ohren.

Ich fand ein Internetcafe, in dem ich die Nacht verbringen wollte. Leider hielt ich es draussen in der Kaelte nur bis etwa acht Uhr Abends aus, dann fluechtete ich mich doch schon in die Waerme und Geborgenheit einer kleinen Kabine und goennte mir sogar zwei der, fuer die Gaeste ausliegenden, Decken.

Pflichtbewusst wie ich bin, hatte ich mir fest vorgenommen, in dieser Nacht den naechsten Blogpost zu schreiben. Leider blieb es bei diesem Vorsatz, denn als ich mir auf Youtube gerade Shrek ansah (wie gesagt, ich bin pflichtbewusst!) klingelte mein Handy...

Es war Hiroshi, mein Couchsurfing-host. Er hatte soeben erst meine Mail gelesen und fragte nun, ob ich noch immer bei ihm uebernachten wolle. Es war schon nach 22:00 Uhr und wahrscheinlich hatte er noch anderes vor, als nachts durch die Gegend zu fahren. Ausserdem war ich jetzt, mit warmen Getraenken abgefuellt und in meine Decken gekuschelt, ein bisschen zu traege geworden um mich nochmal vom Fleck zu ruehren.

Doch Hiroshi bestand darauf und so verabredeten wir uns fuer halb elf vor dem Internetcafe.

Ich war schon wieder ziemlich durchgefroren, als wir uns endlich fanden, aber es lohnte sich. Hiroshi sprach sehr gut Englisch und sogar einige Worte Deutsch, denn er war vor zwei Jahren fuer einige Zeit in Europa gewesen. Wir verstanden uns gleich sehr gut und als wir bei ihm zuhause ankamen, stellte ich fest, dass er noch bei seiner Familie wohnte. Nun bereitete ich all diesen lieben Menschen auch noch Umstaende. Das war mir etwas peinlich.


Sie hatten bereits meinen Futon zurechtgemacht, ich durfte duschen und als ich ihnen gerade "gute Nacht" sagen wollte, hatten sie fuer mich sogar noch ein kleines Abendbrot gezaubert und unterhielten sich mit mir noch eine ganze Weile, bis uns allen die Augen zufielen.

Am naechsten Morgen bekam ich ein herrliches Fruehstueck und wurde anschliessend sogar noch zum Bahnhof gefahren, wo ich meinen Zug zur naechsten Gastfamilie nach Takashima nehmen konnte.

Es war meine erste Erfahrung mit Couchsurfing gewesen und ich bin froh, dass sie so positiv verlief. Denn es ist wirklich eine tolle Sache und viel besser als ein Hotel, nicht nur aus preislicher Hinsicht...

Meine Gastfamilie war auch diesmal einzigartig. Sie bestand aus der alleinerziehenden Mutter Shoei-san, ihrer (geistig behinderten und supergoldigen) Tochter Minga, sowie dem Helfer Kota, der Shoei bei den geschaeftlichen Dingen und bei schweren koerperlichen Aufgaben unterstuetzte.

Ausser mir gab es noch zwei weitere Wwoofer: Wang-Lin, ein Maedchen aus China und die Neuseelaenderin Ellen.

Meine Gastmutter war zwar sehr lieb, aber auch sehr spirituell. Das ist normalerweise nicht so schlimm, solange diese Menschen es still ausleben, aber hier wurde man regelrecht dazu angehalten, ebenso zu empfinden. Das war etwas anstrengend, da ich nunmal nicht an Wiedergeburt und gute Geister glaube.

Shoei erzaehlte mir beispielsweise, dass ihre Tochter in ihrem frueheren Leben ein Delfin gewesen sei und sie selbst mit Kota verheiratet gewesen waere. In einem noch frueheren Leben dagegen, waere Minga die Tochter von Kota. Irgendwie hat es mich nur verwundert, das alles auf diese drei Personen beschraenkt blieb, doch ich hielt lieber meinen Mund.
Wenn Menschen einen bestimmten Glauben haben, dieser ihnen hilft und sie damit gluecklich sind, soll man sich besser gar nicht einmischen!

Die Arbeit war wenig abwechslungsreich, aber da ich nur eine Woche dort verbrachte, machte es mir nichts aus. Ich half Kota groesstenteils, Holz zu holen, zu zersaegen und aufzuschichten. Manchmal fuhren wir zum Feld (das mit dem Auto immerhin 20 Minuten entfernt lag) und ernteten Gemuese. Shoei verschickt Gemuese an Restaurants und Privatkunden, deshalb mussten wir mit dem Verpacken besonders sorgfaeltig sein.

Unser Tag begann erst gegen zehn oder elf Uhr morgens. Jeder fruehstueckte, wann es ihm passte und was er wollte. (Wir buken jeden Abend frisches Brot und Shoei hatte eine grosse Auswahl an Marmelade und Butter - das war sehr lecker!) Allerdings endete unser Tag dafuer auch erst gegen sieben oder acht Uhr abends. Das Verpacken war immer langwierig, deshalb wurden wir selten frueher fertig.

Es war, wie gesagt, ziemlich kalt. Im Haus waren wir zwar vor dem Seewind, aber leider nicht vor der Kaelte geschuetzt. Denn eine Heizung gabe es hier nicht... So bekam jeder von uns nur eine Waermflasche und daher waren die Naechte oft wenig erholsam.

Wir wurden angehalten, Wasser zu sparen, aber zugleich wurde jeden Abend die riesige Badewanne (fast schon ein kleiner Pool) gefuellt und mit dem grossen Holzofen aufgeheizt. Allerdings war das Wasser aufgrund der Menge nur lauwarm, was mich und die anderen Wwoofer nicht dazu veranlasste, uns dort entspannen zu wollen. Deshalb wurde sie nur von der Familie genutzt - eine ziemliche Wasserverschwendung, wie ich fand. Aber vielleicht war so das Waschen von Minga einfacher.

Das klingt nun alles recht negativ, doch ich fand den Lebensstil eigentlich recht interessant! Alles verlief sehr locker und entspannt und wir konnten im grossen Tun und Lassen, was wir wollten.

Shoei war auch sehr am Umwelt- und Naturschutz interessiert. So erfuhr ich hier zum ersten mal von einer Methode, die sich EM (Effektive Mikroorganismen) nannte. Einfach erklaert, funktioniert sie folgendermassen: In der Natur kommen etwa 10% "gute" und 10% "schlechte" Bakterien vor. Die restlichen sind neutral. Nun kommt es hin und wieder vor, dass mal die "guten" und mal die "schlechten" Bakterien staerker sind. Dann schliessen sich die neutralen Bakterien dem Ueberlegenen an. Durch Zufuegen der EM, wird der Bestand an guten Bakterien kuenstlich erhoeht. Man kann EM in fluessiger Form oder als Schlammbaelle anwenden, um beispielsweise Seen und Fluesse zu reinigen. Die Herstellung ist sehr einfach und wenn man erstmal eine Flasche voll hat, kann man mit dieser weitere Liter EM produzieren. (wir mussten uns nach der Herstellung immer laut bei den Bakterien bedanken und ihnen viel Kraft wuenschen, damit sie gut werden) Es sieht aus wie naturtrueber Apfelsaft und riecht etwas streng nach Essig. Shoei stellt es her, um es in den Kanal zu kippen, der am Haus entlangfliesst, in den Biwa-See muendet und frueher im Sommer angeblich furchtbar gestunken hat, wenn die Farmer ihre Pestizide benutzten. Seit sie regelmaessig EM anwendet, hat sie dieses Problem nicht mehr.

Etwas anderes, das mich tief bewegt hat, war der Film "the cave", den die Familie auf DVD hatte. Er handelt von einer Bucht an der Ostkueste Japans, in der noch immer Delfine gejagt werden. Sie werden durch laute Geraeusche in die Bucht gescheucht, dort zusammengetrieben und abgeschlachtet. Der Film wurde vom ehemaligen Flipper-Trainer gedreht und dokumentiert. Er und einige professionelle Taucher benutzten speziell getarnte Kameras, um an die Aufnahmen zu gelangen. Es ist wirklich furchtbar anzusehen, ruettelt aber das Bewusstsein wach!

Die Woche ging sehr schnell rum. An meinem letzten Tag hatten wir alle frei und besuchten einen Handarbeitskurs, in dem wir lernten, Bambusrollaeden zu basteln. Das war sehr interessant und die Herstellung ist wirklich nicht besonders schwierig. Wir konstruierten zuvor noch ein Gestell, das die ganze Sache sehr erleichterte. Das "Weben" des Rollos dauerte nur wenige Minuten:



Ehe ich mich versah, war schon der Tag meiner Abreise gekommen. Der Tag, an dem ich endlich meine kleine Schwester Milena wiedersehen wuerde! Wir hatten uns fuer Mittags am Bahnhof von Osaka verabredet, doch ich fuhr schon morgens hin, weil ich es nicht mehr abwarten konnte. So wartete ich in einem Cafe, an dem Ausgang, wo Milena und ihre Freundin Berna eintreffen wuerden.
Tatsaechlich gab es aber vier verschiedene Ausgaenge, und so fanden wir uns erst nach etwas Stress und Gerenne...
Dann aber war die Wiedersehensfreude riesig und wir lagen uns erstmal fuenf Minuten in den Armen, bis wir uns Richtung Gasthaus aufmachten. (Auch das war eine Odysee, aber viel lustiger, denn wir waren ja jetzt zu dritt)
Das Gasthaus hatte Milena ausgesucht und es war auch wirklich eine gute Wahl gewesen! Man fuehlte sich gleich wie zuhause, die Leute dort waren alle supernett, wir hatten ein Zimmer fuer uns allein und alles war sehr gemuetlich eingerichtet!
Hier verbrachten wir fast die ganzen ersten zwei Tage, denn es war Weihnachten und wir alle in Gammelstimmung. Sogar Geschenke und deutsche Suessigkeiten hatten sie mir mitgebracht. Ich war sehr gluecklich, dieses Fest nicht allein irgendwo verbringen zu muessen, denn in Japan ist es eher ein Anlass, um mit dem Partner etwas zu unternehmen, und spielt hier keine grosse Rolle. Dass ich sogar einen Teil meiner Familie um mich hatte, war natuerlich ein besonderes Geschenk! (Zudem bekam ich die Naechte im Gasthaus bezahlt... eine ungeheure Erleichterung fuer meine Reisekasse! Nochmal danke dafuer! :))
Aus Deutschland erhielten wir nun Nachrichten ueber haufenweise Schnee, der Zuege lahmlegte und Strassen blockierte. Doch hier bekamen wir kaum etwas davon zu spueren. Den Vormittag lang schnieselte es ein wenig, ansonsten blieben unsere Weihnachten unweiss.
Wir unternahmen, touristisch gesehen, kaum etwas. Lediglich das Schloss sahen wir uns an. Aber mir war ohnehin das Zusammensein am Wichtigsten... Die beiden Maedchen wollten vor allen Dingen shoppen gehen und da es dabei stets etwas Kurioses zu sehen gab, hatte auch ich meinen Spass, selbst wenn mir das Geld fuer eigene Einkaeufe fehlte. :)
Leider ging auch diese Woche viel zu schnell rum!
Milena und Berna wollten weiter nach Kyoto und ich hatte mich entschieden, gleich nach Okinawa ueberzusetzen, da nun, durch den Kaelteeinbruch,die Arbeitssuche in Honshu, Shikoku und Kyushu zu schwierig und ungemuetlich geworden war.
Mit Hilfe der Gasthausmitarbeiter gelang es mir, einen Platz auf der naechsten Faehre zu ergattern.
(Wie ich geschockt festgestellt hatte, fuhr die Okinawa-Faehre von Osaka aus nur fuenf Mal im Monat - und eine davon zu meinem unverschaemten Glueck genau an unserem letzten gemeinsamen Tag! So musste ich nicht noch allein die Zeit in Osaka totschlagen, bis auch ich endlich aufbrechen konnte)
Wir fuhren noch gemeinsam zum Hauptbahnhof, wo sich unsere Wege trennten: Ich machte mich zum Faehrenterminal auf, Milli und Berni fuhren nach Kyoto.
Wir versuchten die Trennung aber tapfer zu ertragen, denn immerhin wuerden wir uns bereits in knapp drei Monaten wiedersehen...
Mata ne
Kira

Sonntag, 26. Dezember 2010

Sternstunden in Hyogo

Ein Zuhause in der Fremde...

Tatsaechlich gelang es mir, meine Gastfamilie und die anderen wwoofer zu ueberzeugen, mich alleine an der Strasse zurueckzulassen, an der ich mein erneutes Glueck als Tramper versuchen wollte.

Diesmal musste ich ein wenig laenger als gewoehnlich warten, doch nach ungefaehr 20 Minuten fuhr ein Auto an die Seite.

Durch die heruntergekurbelte Scheibe erklaerte mir ein beleibter und freundlicher Geschaeftsmann, er koenne mich leider nur ein Stueckchen mitnehmen. Doch das waere immerhin ein Stueckchen naeher an meinem Ziel (fuer heute erstmal Nagoya), deshalb stieg ich natuerlich trotzdem ein. Ich wollte mir die Stadt ansehen und dann am naechsten Tag versuchen, weiter nach Sueden, nach Osaka weiterzukommen.

Mein Fahrer arbeitete fuer ein internationales Hotel und sprach daher etwas Englisch. Ungefaehr 1 1/2 Stunden spaeter (also eher ein grosses Stueckchen und ungefaehr die Haelfte der Strecke nach Nagoya!) setzte er mich in einem kleinen Ort ab, wo er noch etwas zu erledigen hatte.

Ich lief ein paar Meter weiter bis zu einem Cafe, das eine eigene Einfahrt hatte. Das erschien mir sehr praktisch, denn dort konnten meine potentiellen weiteren Fahrer bequem halten und somit waere auch die Chance, dass sie dies taeten, groesser.

Dann zog ich mein, durch den an diesem Tage sehr starken Wind, inzwischen eingerissenes und zerfleddertes Schild mit meinem Wunschziel hervor und wartete.

Keine fuenf Minuten spaeter hielt (durch meinen strategisch guenstig ausgewaehlten Standpunkt) ein weiteres Auto. Auch diesmal handelte es sich um einen Geschaeftsmann, jedoch juenger aber ebenso hilfsbereit. Leider fuhr auch er nicht nach Nagoya und konnte mich nur eine kurze Strecke mitnehmen. Jedoch gab er mir einen wichtigen Hinweis: Von Nagoya aus sei es sehr schwierig jemanden zu finden, der nach Osaka fuehre, da die Autobahn dorthin nicht direkt an Nagoya vorbeifuehre. Ich solle lieber die Bahn nehmen oder noch heute versuchen nach Osaka zu gelangen.

Es war noch frueh am Tage, gerade mal Vormittag, deshalb beschloss ich spontan, Nagoya zu streichen und meinen Weg nach Osaka fortzusetzen. Das konnte ich leicht schaffen.

Als ich, diesmal am Rande einer etwas groesseren Stadt abgesetzt wurde, wusste ich erst nicht so recht, wohin. Es gab mehrere grosse Strassen, aber keine Schilder in Sichtweite. Welche fuehrte nach Osaka? Mein Fahrer hatte sich diesbezueglich etwas unklar ausgedrueckt, wie ich jetzt feststellen musste. Fussgaenger waren auch nicht unterwegs, die ich haette fragen koennen. Und Geschaefte gab es hier auch nicht.

Also lief ich die Strasse, an der ich herausgelassen worden war, ein wenig entlang und irgendwann hielt auf einmal ein Auto neben mir. Ein betagter Mann sass im Wagen, der einen Mundschutz trug, wie ihn in Japan alle benutzen, sobald die Nase nur ein wenig laeuft. Ich habe immer bezweifelt, ob das die Ansteckungsgefahr senkt. Aber ohne Frage ist dies eine nette Geste den Mitmenschen gegenueber.

Er fragte mich, wohin ich wollte und meinte daraufhin, er koenne mich ein Stueck bis zu einer Raststaette an der richtigen Autobahn mitnehmen, muesse dann aber leider woanders hin.

Auch dies war nur eine kurze, jedoch sehr merkwuerdige Begegnung und bewies, dass das, was ich ueber die Japaner in einem meiner Buecher gelesen habe, wohl (natuerlich nur teilweise) wirklich stimmt.

Sie sind pervers...

Zunaechst verlief die Unterhaltung aber ganz typisch. Wir unterhielten uns ueber Autos (wobei sich die Japaner stets freuen, wenn ich ihnen erzaehle, dass mein Vater einen Mitsubishi faehrt und es zudem fuer ein sehr gutes Fahrzeug haelt, da aeusserst selten etwas zu reparieren ist), dann ueber das Essen (nein, die Deutschen essen normalerweise nicht dreimal am Tag Wuerstchen und trinken auch kein Bier zum Fruehstueck!), gefolgt von der Frage, ob ich ihm nicht meine Unterhose verkaufen wolle...

...

"Ist sie weiss oder pink?"

...

Ich war sprachlos. Gerade hatten wir uns noch ueber Bier unterhalten und dann kam auf einmal sowas.

Da er aber kein Englisch sprach, konnte ich ihn leider nur mit den weniger hoeflichen Worten, die ich bisher bei den Gastfamilien mit kleinen Kindern gelernt hatte, bedenken.

DAME! (Sehr nuetzlich, weil man es fast immer anwenden kann, wenn einem etwas nicht passt - im einfach Gebrauch so aehnlich wie "lass das" oder "nein!". Ich verstaerkte die Betonung und brachte es damit auf ein "vergiss es und wage nicht nochmal zu fragen!"

Er lies trotzdem nicht locker und wollte mir am Ende um die 10.000 Yen (etwa 100 Euro) dafuer bezahlen.

Ich blieb trotzem bei meinem "dame!", das ich in regelmaessigen Abstaenden zu seinem Monolog einwarf. (Ich hatte keine Lust, eine ernsthafte Diskussion daraus zu machen, sondern bestand nur darauf, dass er mich bitte einfach an der versprochenen Raststaette absetzen sollte). Zum Glueck war er ein harmloses, kleines, duennes Maennchen, mit dem ich es im Zweifelsfalle locker haette aufnehmen koennen und er fuhr mich auch brav bis zum besprochenen Ziel.

Als er endlich davonbrauste, goennte ich mir an der Raststaette erstmal ein kleines Mittagesessen, bevor ich mein Glueck erneut versuchte. Hier war auf jeden Fall ein viel besserer Ausgangspunkt, als an den Abschnitten davor!

So stellte ich mich mit meinem Schild an die Ausfahrt und wartete.

Diesmal sogar verhaeltnismaessig lange. Viele schauten zwar interessiert oder fuhren langsamer, um mein Schild genauer lesen zu koennen, aber fast eine halbe Stunde hielt niemand.
(Ich nehme an, das lag an der guenstigen Lage - da kann man als Autofahrer die Verantwortung leichter an andere abgeben, weil die Chance so hoch ist, dass einen irgendwann doch jemand mitnimmt. Verloren an irgendeiner Strasse wirkt man dagegen armseliger.)
Dann fuhr einer dieser kleinen weissen Laster (die es wegen der kurzen Nase und damit verminderten Knautschzone nicht in Deutschland gibt) mit einer Vespa auf der Ladeflaeche an mir vorbeiund hielt kurz hinter der Ausfahrt, einige Meter von mir entfernt. Aber niemand stieg aus oder machte den Anschein, als wolle er mich mitnehmen...

Ich ueberlegte gerade, ob ich nicht einfach hinueberlaufen sollte, da hielt auf einmal eine Motorradfahrerin vor mir, drueckte mir laechelnd eine Petflasche heissen Tee in die Hand und verschwand mit dem ueblichen "ganbarre" (halte durch) so ploetzlich, wie sie gekommen war.

Etwas ueberrumpelt schaute ich mich um. Der weisse Laster war noch immer da. Doch nun war der Fahrer ausgestiegen und blickte zu mir hinueber.

Eine offensichtlichere Einladung brauchte ich nicht, schnappte meinen Rucksack und rannte zum Auto. Der Fahrer war um die 30, trug eine lustige Muetze und zeigte erstaunlich viele Kronen fuer sein Alter, wenn er lachte. Er fuhr nicht direkt nach Osaka, aber in einen der kleinen Nebenorte und es gebe Zuege, falls es schon zu spaet waere um zu trampen. So warf ich meinen Rucksack zu seinem Motorroller auf die Ladeflaeche, vertaeute ihn mit einigen der Seile und kletterte in die kleine Fahrerkabine.

Bis Osaka war es tatsaechlich noch ein ganzes Stueck, aber das bemerkten wir kaum, denn nach der Auto-Wuerstchen-Bier-Huerde schafften wir es sogar in etwas interessantere Gefilde und mein Fahrer erzaehlte mir einiges ueber die Gegend, in der er wohnte.

Zum Schluss fuhr er mich sogar doch noch direkt bis zum Bahnhof von Osaka und ich verbrachte den Abend und die Nacht in einem Internetcafe. Diesmal wurde die Kabine von einem grossen, bequemen Sessel eingenommen. Doch zum Schlafen war er trotz seiner Gemuetlichkeit wenig geeignet. Erschwerend kommt immer hinzu, dass das Licht natuerlich die ganze Zeit ueber brennt und ich mir jedesmal meinen Schal um die Augen binden muss, um mich etwas entspannen zu koennen.

Doch es war immerhin warm, ich konnte duschen und als ich am naechsten Morgen bezahlte, war es um einiges weniger, als ich ausgerechnet hatte. Es war noch sehr frueh am Morgen und nur wenige Menschen waren auf den Strassen unterwegs. So beschloss ich, lieber gleich den Zug Richtung Himeji zu nehmen, dessen Schloss ueberall fuer seine Schoenheit geruehmt wird und was praktischerweise ein Zwischenbahnhof auf meiner Reise nach Suwa in der Praefektur Hyogo war.

Ausserdem wuerde ich in einem der Nebenorte vielleicht eine guenstigere Unterkunft fuer meine letzte Nacht finden koennen.

In Himeji angekommen, erwartete mich jedoch erst einmal eine Enttaeuschung: Das Schloss wurde von einem grossen Stahlgeruest verdeckt und die Kraene, sowie der Baustellenlaerm trugen auch nicht gerade dazu bei, den Charme alter Zeiten wieder aufleben zu lassen.

Ich troestete mich stattdessen mit dem dafuer sehr huebschen Park, der sich ueber eine gewaltige Flaeche erstreckte und in bunten Herbstfarben erstrahlte. Durch zahlreiche Ginko- und Ahornbaeume reicht die Farbpalette in Japan naemlich von intensivem goldgelb bis blutrot.

Ich fuehlte mich heute nicht in der Stimmung fuer einen langen Tag in diversen Museen, die es hier in Huelle und Fuelle gab, dazu war das Wetter einfach viel zu schoen. Nachdem ich also mehrere Stunden durch den Park flaniert war und der Nachmittag schon langsam in den Abend ueberging, machte ich mich per Zug weiter in Richtung Suwa auf. Nach einigem Suchen und Fragen fand ich in dem Ort vor meiner Endstation auch noch eine einigermassen preiswerte Minshuku.

Am naecsten Morgen musste ich schon um neun Uhr auschecken, hatte mich mit meiner Gastfamilie (bei welcher ich einen ganzen Monat lang arbeiten wuerde) aber erst drei Stunden spaeter am Bahnhof verabredet. Deshalb erkundete ich den Ort, fand einen gigantischen, uralten Ginkobaum unter dem ich mein Fruehstueck hielt und schlenderte ziellos durch die langsam erwachenden Strassen. Die Stadt schien einen Faibel fuer Sterne zu haben. Auf den Messingschildern an den Bruecken und Gullideckeln (die in jeder Stadt andere Motive zeigen), and Mauern und Geschaeften - ueberall fand man sie wieder.

Ich sah das als gutes Omen. Denn schliesslich mag ich Sterne auch. Spaeter sollte ich auch noch den Grund erfahren, warum die Stadt gerade dieses Symbol gewaehlt hatte.

Die restliche Zeit vertrieb ich mir lesend am Bahnhof in der Sonne. Dann warf auf einmal etwas einen Schatten auf mein Buch und ich blickte auf.

Ein aelterer, schlanker und symphatisch laechelnder Mann stand vor mir. Es entpuppte sich als mein Gastvater Seji-san. Seine Frau Kazumi wartete, ebenfalls laechelnd, am Auto.

Der erste Eindruck sollte nicht taeuschen. Sie waren die liebsten, warmherzigsten und grosszuegigsten Menschen, die man sich nur vorstellen kann!
Sie wohnten nicht direkt in Suwa (das hatte ich insgeheim gehofft, weil es dort eine Post und Geschaefte gab). Aber auf dem Weg zu ihrem Haus, kamen wir an einem Schild vorbei, das besagte, dass es hier ganz in der Naehe eine Sternwarte gaebe und sie versprachen mir, irgendwann gemeinsam dorthin zu gehen.

Ihr Haus war sehr neu und modern. Ich muss gestehen, dass ich nach meiner Zeit in diversen zugigen und baufaelligen Heimen ein wenig erleichtert ueber etwas Komfort war. Das Badezimmer musste nicht mit Hand beheizt werden. Im Gegenteil. Es gab sogar einen kleinen Computer am Badewannenrand, auf dem man die exakte Temperatur einstellen konnte!

Mein Zimmer war ein Palast. Es war riesig, hatte zwei westliche Betten (pure Nostalgie), ein Regal mit Buechern (auch in Englisch!), einen eigenen Fernseher (den ich aber nur einmal benutzte, um fuer fuenf Minuten die Japanische Version von Harry Potter zu gucken. Harry hatte in der Synchronisation eine piepsige Maedchenstimme bekommen, die leider nicht lange zu ertragen war) und sogar einer eigenen Toilette...

Ich war im Himmel.

Man bemerkt gleich den Unterschied zwischen den Familien, die wwoofer akzeptieren, weil sie wenig Geld und zuviel Arbeit haben, und denen, die es rein aus Hobby und Interesse an anderen Kulturen tun. Diesmal war es letzteres, was ich erfahren durfte.

Kazumi und Seji hatten an einer Wand eine Weltkarte aufgehaengt und dort mit rotem Filzstift die Heimatlaender und -orte ihrer bisherigen Helfer eingetragen. Daneben prangten sogar Fotos! Das hatte ich zu diesem Zeitpunkt erstmals gesehen und es ruehrte mich zutiefst.
Ausser den beiden gehoerte auch noch die 98jaehrige Grossmutter zu unserer kleinen Familie. Sie war ein Engel - ich haette sie am liebsten eingepackt und mitgenommen! Auch den 19jaehrigen Sohn Kenji lernte ich kurz kennen, als er auf einen Besuch vorbeikam. Leider war er jedoch sehr schuechtern und nur selten wechselten wir ein paar Worte.

Die Arbeit war auch vielfaeltig und interessant. Wir praeparierten ein Feld fuer das kommende Jahr (ich durfte den kleinen Handtraktor fahren), holten Feuerholz aus dem Wald (wobei ich Seji-san, der bereits 70 Jahre alt war, verbieten musste, die schweren Staemme selbst zu schleppen), faellten einige erwachsene Bambusbaeume, um daraus einen Unterstand zu bauen, errichteten einen Kompost und vieles, vieles mehr.


Wir verbrachten auch mehrere Tage damit, ein junges Bambuswaeldchen abzuholzen, weil es leider (aus mir unverstaendlichen Gruenden) vielen Einwohnern ein Dorn im Auge war.

Dennoch war es trotz allen Bedauerns ein lustiges Projekt, besonders weil das Wetter schoen und meine Gastfamilien sehr streng im Einhalten von Pausen mit zugehoeriger Verpflegung war. :)

Ich genoss nicht nur das Schlafen in einem richtigen Bett (zum ersten Mal, seit ich in Japan angekommen war!), sondern auch das Essen! Nach meiner Curry-Diaet bei der letzten Gastfamilie konnte ich mich kaum noch daran erinnern, dass es noch etwas anderes gibt.

Doch hier assen wir fast jeden Morgen Toast (richtig braun und knusprig!) mit Marmelade oder Ei, tranken Kaffee oder Schwarztee mit Milch (Kazumi wurde nach wenigen Tagen und zu meinem Glueck selbst abhaengig) und Mittag gab es Gerichte, wie sie in einem Restaurant angemessen gewesen waeren. Kazumi konnte wirklich ausgezeichnet kochen... Manchmal stellten sie auch mich an die Toepfe und wollten Deutsche Kueche. Dann gab es Spaghetti Bolognese, Pizza (ist beides nicht Deutsch, ich weiss), Brat- oder Backofenkartoffeln, Pfannkuchen, Tomatensuppe und eben alles, was nur einfache Zutaten erfordert, da es hier in Japan nicht so einfach ist, spezielle Gewuerze zu bekommen und generell alles teuer ist.

Da wir inzwischen fortgeschrittenen Dezember schrieben und ich Kazumi von den Keksen erzaehlt hatte, die meine Mama in Deutschland nun bestimmt schon backte, wurde ich eines Tages auch noch darum gebeten. Aber nicht nur ein paar, denn sie wollte wollte eine Curry-Party geben und das Gebaeck als Nachtisch reichen. Drei Tage stand ich deshalb in der Kueche und fabrizierte fuer die 30 Gaeste Tonnen an Weihnachtsplaetzchen und Apfelkuchen. (Beruhigenderweise konnten sich auch die Japaner nicht zurueckhalten und alles wurde bis auf den letzten Kruemel verputzt. Es scheint sich damit nicht nur um eine Schwaeche der Deutschen zu handeln, sondern liegt einfach an den gemeinen Keksen! Das war mir unterbewusst schon immer klar xD)

Meine Gastfamilie besass auch drei Haustiere: Chibie, der Wachhund, mit dem ich jeden Abend einen Spaziergang machte; Mame, eine junge Huendin, die aber gerade in der Hundeschule war und natuerlich Uka, das Kaninchen. ("uka" bedeutet auf Japanisch, wenn ein Ei aufbricht und etwas schluepft)

Wegen Uka hatte ich mich eigentlich erst fuer diese Gastfamilie entschieden. (Ein wwoofer-paerchen, das ich in Gifu traf, hatte mir von dieser Familie erzaehlt) Und ich hatte mich auch nicht getaeuscht. Kaninchenbesitzer sind alle nett (sofern sie die Tiere nicht halten, um sie zu essen!) Uka gehoerte eigentlich der Tochter, die aber in Osaka war und sich nicht mehr darum kuemmern konnte... Deshalb war niemand richtig mit dem armen Ding vertraut und seit zwei Jahren fristete es daher ein einsames Leben im Kaefig. Kazumi traute sich nicht, es auf den Arm zu nehmen, weil es immer so strampelte.

Deshalb machte ich es mir zum Projekt, dem Haeschen ein besseres Leben zu ermoeglichen und zeigte ihr, dass das mit etwas Uebung kein Hexenwerk war. Nach einigen Tagen konnte meine Gastmama es bereits selbst aus dem Kaefig holen und war auf einmal richtig verliebt in Uka. Das war so schoen anzusehen. Ich baute an meinem ersten freien Tag auch ein Holzhaeuschen, denn bisher stellte sein einziger Unterschlupf ein alter, zernagter Pappkarton dar.

Waehrend meiner dritten Woche in Suwa besuchten wir endlich die Sternwarte. Die Bedingungen waren ideal: die Nacht war warm und der Himmel ganz klar!

Die Fuehrung war natuerlich auf Japanisch, deshalb verstand ich nicht alles, was erklaert wurde, doch die Objekte, die wir beobachteten sprachen ohnehin fuer sich. Das Teleskop war riesig und mit 2 m Durchmesser sogar das groesste in ganz Japan!.

Wir betrachteten den Andromedanebel, den Kugelsternhaufen M15, den blauen Schneeball (erstmals davon gehoert), den Orionnebel und Jupiter.

Ich hatte sogar das Glueck, auf einen Japanischen Astro-Fotografen zu treffen, der mir nach unserer Unterhaltung seine Mailadresse gab und ein paar Tage spaeter die Himmelsaufnahmen des Abends schickte. Sogar jetzt noch erhalte ich hin und wieder schoene Fotos per Mail, wenn er etwas Besonderes vor die Linse bekommen hat.

Mir gefiel auch, dass Kazumi und Seji ein so aktives Leben fuehrten. Nicht nur die Arbeit machte Spass, auch privat wurde viel geboten. Wir gingen zusammen zu einem Kaffeekraenzchen der Dorfbevoelkerung mit anschliessendem Bingoabend (lustigerweise gewannen wir drei gleichzeitig), besuchten die Huendin Mame in der Hundeschule, machten kleine Ausfluege in die Gegend und einmal nahm micht Seji-san sogar mit, um mit vielen anderen Bewohnern zusammen die Neujahrsdekoration fuer Haus und Auto zu basteln.

Wir verwendeten altes Reisstroh, das noch von der letzten Ernte aufgehoben worden war und da auch mein Gastvater zum ersten Mal teilnahm, war es umso vergnueglicher. Aber Seji-san schien es einfach mehr im Blut zu liegen, denn seine Gebilde sahen am Ende um einiges professioneller aus.

Ich fuehlte mich pudelwohl in Suwa. Es war wie eine richtige Familie und es mangelte mir an nichts. Mit dem Fahrrad konnte ich ab und zu zur nahegelegensten Post fahren um meine Briefe und Karten zu verschicken, ich hatte viel zu lesen und das Telefonieren stellte auch zum ersten Mal kein Problem dar; Meine Familie durfte anrufen, wann immer sie wollte!

Daher war es kein Wunder, dass die Zeit wie im Fluge verging. Auch die freudige Aussicht, bald meine kleine Schwester zu Weihnachten in Osaka zu treffen, trug natuerlich dazu bei. Nur noch eine Woche wuerde ich vorher bei einer anderen Familie am Biwa-See in der Praefektur Shiga arbeiten.

Der letzte Abend war sehr traurig. Ich wollte eigentlich gar nicht weg aus diesem Paradis, doch meine Reise musste weitergehen.
Zum Abschied wurde ich reich beschenkt und gebeten, wiederzukommen. (Da ich naechstes Jahr auch meine kleine Schwester in Japan besuchen will, die dann dort ihr Auslandsjahr macht, wird das in jedem Fall eine Station werden!)


Sie brachten mich mit dem Auto zum Bahnhof und wir fielen uns alle schniefend in die Arme. Dann setzte ich mich ziemlich niedergeschlagen in den Zug Richtung Otsu, wo ich einen Tag Urlaub am See machen wollte, bevor es mit der Arbeit weiterging.


Mata ne

Kira

Donnerstag, 18. November 2010

Mori no ie - Arbeiten in Kashimo

Von Wachschweinen im Hof und Ratten im Schlafzimmer

Mit dem Zug ging es also ganz gemaechlich von Toyama nach Kashimo. Die Haelfte der Strecke kannte ich ja bereits aus meiner vorherigen Zeit in Gero, als ich auf der kleinen Kuhfarm arbeitete, denn auch Kashimo liegt in der Praefektur Gifu und nur wenige Haltestellen von meiner damaligen Gastmutter entfernt.

Ma-san, mein neuer Gastvater und sein juengster Sohn Kanta holten mich vom Bahnhof ab. Waehrend der Fahrt wurde ich ueber den Lebensstil und Besonderheiten meiner neuen Gastfamilie aufgeklaert.
Vor fuenf Jahren hatte er zusammen mit seiner Frau Rie-san ein altes Bauernhaus, das bereits 150 Jahre alt war, erworben und restauriert. Sie nannten es "mori no ie" - Waldhaus (auch wenn es in Wirklichkeit nur am Waldrand liegt). Doch dieser Name beschreibt auch ihren Lebensstil, der sehr naturverbunden und umweltbewusst ist.
Sie finanzieren ihre Familie mit derzeit zwei Soehnen durch einen kleinen Laden, den sie auch online betreiben und wo man allerhand oekologische Produkte von Seifen ueber Lebensmittel und sogar Waermflaschen aus Deutschland kaufen kann. Rie-san backt zudem selber vegane Kuchen und Kekse, die uns manchmal in einer kleinen Pause zum Probieren gereicht wurden und welche tatsaechlich sehr gut schmecken, obwohl sie ohne Butter, Zucker, Milch und Ei hergestellt sind.
Allerdings muss sie schon sehr frueh morgens aufstehen, um die grosse Nachfrage befriedigen zu koennen (das heisst, ich hoerte sie manchmal schon gegen drei oder vier Uhr frueh in der Kueche rumoren) und war daher oft etwas gestresst und ungeduldig. Allerdings sprach sie so gut wie kein Englisch und wenn man deshalb eine ihrer Instruktionen nicht gleich auf Japanisch verstand, war sie veraergert und machte es lieber selber als es erneut zu erklaeren.

Auch organisierte Ma-san fuer fast jedes Wochenende einen Workshop, ein Seminar oder andere Treffen, nicht nur weil es ihm grossen Spass machte, sondern auch um sich selbst und damit den Laden bekannter zu machen. Das Bewirten fiel jedoch Rie-san zur Last, was ihren Stress nicht gerade linderte. Oft kamen bis zu 20 Personen. (Ein Seminar war zu Ehren einer Australierin, die in ihrem Heimatland ebenfalls eine organische Farm betreibt und ein Referat ueber ihre Methoden hielt, das andere war ein Workshop ueber den theoretischen und praktischen Umbau von Autos, so dass diese umweltfreundlicher mit WVO (waste vegetable oil - also altem Frittierfett) fahren konnten)

Das Leben der WWOOFer war hier ebenso geschaeftig.
Wir schliefen auf dem geraeumigen Dachboden und da das Haus, wie gesagt schon sehr alt war und wir bereits Ende Oktober schrieben, blies ein eiskalter Wind durch teilweise fingerbreite Spalten. Einige Tage nach meiner Ankunft vernagelten wir daher alles mit grossen Pappkartons. Da ich anfangs das einzige Maedchen war, wurde fuer mich nur eine kleine Nische mit Stellwaenden notduerftig abgetrennt.
Offenbar hielten auch Spinnen, Stinkwanzen und Mauese den Dachboden fuer ein ausgezeichnetes Winterquartier, denn des Nachts konnte ich viele kleine Fuesse ueber die Tatamimatten trippeln und kleine Zaehne an den Kartons nagen hoeren.
Eines Abends vernahm ich ungewoehnlich lautes Rascheln aus der Ecke, die meinem Futon am naechsten lag. Das konnte keine Maus sein. Ich versuchte mit meiner kleinen Taschenlampe die Ursache dieses Laerms auszumachen, sah aber nichts. Stattdessen verstaerkte sich das Rascheln nur. Letztendlich siegte doch die Neugier und ich kroch auf allen vieren unter die Schraege. Und dort in einer der Mausefallen, die Ma-san aufgestellt hatte, hing mit einer Pfote eine panische Ratte und versuchte sich mit Leibeskraeften zu befreien.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich dem Tier helfen konnte und so blieb mir nur, meinen Gastvater zu holen, der die Falle samt Ratte einfach in Zeitungspapier wickelte und damit verschwand. Ich habe nie herausgefunden, was damit geschah...

Der Alltag:
Gegen sechs Uhr Morgens wurden wir von dem lauten Quieken des Hausschweins Buddha geweckt, das nach seinem Fruehstueck verlangte. Die Menschen assen jedoch erst gegen acht Uhr und unsere Morgentaetigkeiten nahmen nicht so viel Zeit in Anspruch, da wir zu zweit waren und sie unter uns aufteilen konnten. Deshalb mussten wir uns erst eine Stunde spaeter langsam aus dem warmen Bett quaelen, auch wenn die Beschwerden von Buddha keinen Schlaf mehr zuliessen. Meine erste Aufgabe vor dem Fruehstueck bestand also daraus, dem armen verhungernden Schwein sowie den Huehnern den Topf mit Kuechenabfaellen zu servieren, anschliessend die Waesche zu waschen und aufzuhaengen, die Toilette zu putzen, die Boeden zu fegen, den Tisch zu decken und Rie-san beim Kochen zu helfen. Spaeter wuschen wir das Geschirr, raeumten das Haus fertig auf und dann rief uns Ma-san zur Farmarbeit.
Diese ging normalerweise bis gegen halb eins, dann halfen wir beim Mittagessen und ab halb zwei bekamen wir endlich eine kleine Mittagspause (die wir natuerlich alle verschliefen).
Um drei ging es weiter. Waehrend die anderen ihre Aufgaben vollendeten, wurde einer von uns abkommandiert, das abendliche Bad einzuheizen, was fast drei Stunden dauerte, denn der Ofen war sehr klein und das Holz brannte schlecht. Meisstens qualmte es so sehr, dass schon in den wenigen Sekunden, die man brauchte, um die Luke zu oeffnen und neue Scheite nachzuschieben, unter der Decke des Raums eine dicke Rauchwolke entstand. Diese war auch dafuer verantwortlich, dass ich jeden Tag das Waschbecken und den Fussboden putzen musste, da sich ueberall die feinen Russpartikel absetzten.
Die Farmarbeit an sich bestand aufgrund des fortgeschrittenen, dennoch waehrend des Tages noch immer herrlich warmen Wetters, nicht mehr ausschliesslich aus Feldtaetigkeiten, denn der Reis war bereits geerntet und hing zum Trocknen ueber langen Stangen.
Das Schoene an mori no ie war, dass die Arbeit, abgesehen von den haeuslichen alltaeglichen Aufgaben sehr vielfaeltig war:

So lernten wir unter anderem, wie man die Papierbespannung der typisch Japanischen Schiebetueren erneuert. (Ma-sans Soehne liebten es, mit ihren kleinen Fingern Loecher hineinzupieken, wann immer man nicht hinsah).
Dazu weicht man zunaechst das alte Papier an den Klebestellen mit warmen Wasser auf. So laesst es sich leichter abziehen und komplett entfernen. Nachdem das Holzgestell getrocknet ist, wird der Rahmen und die inneren Leisten mit Kleister (frueher machte man ihn aus Reisstaerke) bestrichen und anschliessend mit dem duennen Papier frisch beklebt. Das ganze laesst man wieder eine Weile trocknen, bevor die Tuer wieder einsetzt werden kann. Ein altes Japanisches Haus ist noch so konstruiert, dass man alle Waende leicht aushaken kann, denn im Sommer ist es sehr heiss und in dieser Zeit wurden frueher fast alle Papierwaende entfernt um die Luft zirkulieren zu lassen.

Einmal erzaehlte uns Ma-san eine interessante Geschichte. Drei Jahre nachdem er das Haus gekauft hatte, entruempelte er einen der Schuppen, die noch heute teilweise voll Krempel vom Vorbesitzer sind und fand bei dieser Aktion zwei alte Handmuehlen aus Holz, die fast auf 100 Jahre datiert werden konnten. Diese Handmuehlen bestehen aus zwei schweren Teilen. Das Untere hat die Form eines Kegels auf einem Sockel und dieser Kegel ist mit vielen Rillen versehen. Das obere Teil dagegen hat dieselbe Kegelform im Inneren und laesst sich deshalb nahtlos auf das Unterstueck setzen und bewegen. Das Korn wird in ein Oeffnung im Deckel gefuellt, rieselt in die Rillen und wenn man nun das Oberstueck bewegt, wird es dadurch zermahlen.
Das Interessante war nun, das Ma-san in diesen Muehlen einige alte Reiskoerner fand, die mindestens 50 Jahre alt sein mussten. Diese Reiskoerner pflanzte er auf gut Glueck ein und eines davon begann tatsaechlich zu spriessen! Waehrend der folgenden Jahre konnte er mit Geduld und Fuersorge durch wiederholtes Einpflanzen tatsaechlich letztenendes einige hundert Aehren gewinnen, die er nun zusammen mit uns dreschen wollte.
Aber nicht auf moderne, herkoemmliche Weise. Denn er hatte auch einige alte Geraetschaften in den Schuppen gefunden, mit denen die Menschen vor der Zeit der Elektrizitaet arbeiteten.
Als erstes verwendeten wir etwas, das aussah, wie ein grosser Kamm mit eisernen, dreieckigen Zacken. Durch diese zogen wir in kleinen Buendeln die Reishalme und bewirkten so, dass am unteren Ende, wo die Zacken spitz zusammenliefen, die Reiskoerner abgetrennt wurden. Das ganze Geraet war nicht sehr schwer und deshalb musste man es mit den Fuessen abstuetzen um dem Zug entgegenzuwirken.
Nachdem wir etwa ein fuenftel der Halme auf diese Weise bearbeitet hatten, was ziemlich viel Zeit in Anspruch nahm, zeigte uns Ma-san eine andere Maschine. Diese bestand aus einer grossen drehbaren Holztrommel mit kleinen Drahtboegen auf der Oberflaeche. Die Trommel brachte man mit den Fuessen durch ein Pedal in Bewegung, aehnlich den frueheren Naehmaschinen, und waehrend sich die Trommel drehte, legte man buendelweise die Halme darauf. Die kleinen Drahtboegen hatten in diesem Fall die Aufgabe, die Koerner abzutrennen und es ging dank der Rotation erheblich schneller, als mit den Eisenzacken. Dennoch brauchten wir einige Zeit, bis alle Reiskoerner eingesackt waren. Danach ging es weiter mit dem normalen Reis, der inzwischen gut durchgetrocknet war und davon gab es nicht nur hunderte sondern tausende von Halmen. Zum Schluss hatten wir alle ordentlichen Muskelkater in den Beinen und waren froh, als dieser Teil der Arbeit erledigt war.
Die letzte Maschine war ein grosser Holzkasten mit einem Trichter oben, sowie einige kleinere Oeffnungen an den Seiten und einer Handkurbel. Die Kurbel betaetigte einen Ventilator. Das gedroschene Korn wurde von einer Person in den Trichter gefuellt und waerend es rieselte betaetigte ein anderer den Ventilator um Halmreste, Huelsen und anderen leichten Abfall von den Koernern zu trennen. Die guten Koerner kamen flossen durch eine der Oeffnungen in den Sack, waehrend aus einer anderen der Staub und Abfall geweht wurde. Allerdings war dieser Vorgang nicht sehr zuverlaessig, denn schwerer Abfall konnte nicht weggeblasen werden.
Dennoch war es ein interessantes Projekt bei dem man vor allem Respekt vor dem Arbeitsaufwand damals lernte.

Eines Tages kam ein Freund der Familie vorbei, den alle wegen seiner Vorliebe fuer Alkohol nur "Brandy-san" nannten, um Buddha sein jaehrliches Bad zu verpassen. Buddha war in der Tat so schmutzig, dass man nicht mehr sagen konnte, welcher der Flecken auf dunkle Pigmente zurueckzufuehren war und welcher auf den Matsch im Hof. Also lockten wir das arme nichtsahnende Tier an seiner Leine (es trug eine Art Harnisch um die Brust, wie man ihn auch manchmal bei Hunden sieht) und mithilfe eines Topfes voll Koernern, die ich nach Haensel & Gretel-Manier vor seiner Schnauze plazierte auf die Strasse.
Dort hatte Brandy-san bereits einen Eimer warmes Wasser, Seife, sowie einige Buersten und Schrubber bereitgestellt. Schon beim Anweichen des Schmutzes mit Wasser fing es an zu quitschen, als hinge sein Leben davon ab. Das wurde auch nicht besser, als die Buersten zum Einsatz kamen, doch bald fanden wir heraus, dass man es sehr gut mit Futter ablenken konnte. Waehrend der eine es also mit ein paar Koernern beschaeftigte, nahm es von den Bemuehungen des anderen, es sauberzuschrubben, keine Notiz mehr. Das klappte aber natuerlich nicht mehr, als die Schnauze selbst an der Reihe war, doch nach gut zwei Stunden konnten wir es beinahe blitzeblank von diesen Qualen erloesen.

Ich war sogar noch dort, als Buddha endlich den graesslichen Harnisch loswurde, den es seit fast zwei Jahren trug, denn ich half dabei, einen Zaun um das Huehnerhaus zu bauen, welches sein neues Zuhause werden sollte. Die Huehner selbst wuerden in einem groesseren Schuppen untergebracht werden, denn Ma-san wollte bald anfangen sie zu zuechten.
Ich dachte, das Schweinchen wuerde Freudenspruenge machen, als es endlich frei war, doch nichts dergleichen. Es hing nur mit der Nase im Matsch und wedelte mit dem Schwanz, als es sich seinen Weg durch das neue Terretorium wuehlte.

Aber genau wie schon bei anderen Gastfamilien, bestand meine Zeit in mori no ie nicht nur aus Arbeit (wie ich die interesannten Taetigkeiten trotzdem nennen muss, da sie sehr den Koerper ermuedeten) sondern auch aus Ausfluegen und Unterricht.
Uns wurde gezeigt, wie man selbst Bier braut und abfuellt. (Lustigerweise verwendete Ma-san dafuer als Grundlage deutschen konservierten Hopfen)
An einem anderen Vormittag nahm er uns mit zu seiner Tanzgruppe, die sich hin und wieder trifft und, durch Trommeln begleitet, Afrikanische Taenze probt. Das machte sehr viel Spass, denn wenn man eine lange Zeit in einem fremden Land verbringt, erscheinen einem dort andere Kulturen ebenso aufregend, wie im eigenen Land. Wir bekamen sogar Einfuehrungsunterricht im Trommeln.
Als wir Besuch von der Australierin hatten, machten wir alle zusammen einen Ausflug zu einem grossen Gebirgsbach, der durch einen herrlichen, und nun im Herbst bunten Wald floss. Wir erklommen ein ganzes Stueck des Berges auf schoenen Holztreppen und -wegen, die wiederum auf Stelzen standen. Man ging praktisch auf Laminat, nobler ist eine Wanderung kaum moeglich. :)
Anschliessend fuhr Ma-san an einem Tempel vorbei, in dem ein gigantisch grosser, uralter Baum stand. Man datierte ihn auf mindestens 1.500 Jahre!










Nachdem wir auch diesen ausgiebig bewundert hatten zeigte uns unser Gastvater auch noch ein Noh-Theater, das zwar nur 100 Jahre alt war, aber dennoch beeindruckte. Wir bekamen eine richtige Fuehrung, nicht nur hinter, sondern auch unter die Kulissen und durften mit einigen der Requisiten, wie alten Samuraischwertern posieren.













Alles in allem verging meine Zeit durch all diese aufregenden Events sehr schnell, obwohl es an ein paar besonders langen und harten Tagen nicht so schien.

Meine naechste Station wuerde die Praefektur Hyogo sein, wo meine neue Gastfamilie in Suwa lebte. Da ich meine Reisekasse schonen wollte, hatte ich beschlossen ueber Nagoya und Osaka dorthin zu trampen. Sehr zur Belustigung meines Gastvaters, der sich meines Erfolges nicht sicher war. Zudem war ich wohl der erste WWOOFer der etwas in dieser Art betrieb und er wollte es sich nicht entgehen lassen, mich zu beobachten.

Ich praeparierte mir also mal wieder ein Schild und stellte mich damit am Morgen meiner Abreise an die Strasse.
Tatsaechlich begleiteten mich alle anderen WWOOFer und meine Gastfamilie bis dorthin und wollten allen Ernstes warten, bis mich ein Auto mitnahm.
Doch ich fuerchtete, die Autofahrer koennten denken, ich sollte fuer die ganze Gruppe eine Mitfahrgelegenheit ergattern und wuerden aus diesem Grund gar nicht erst anhalten. Deshalb gelang es mir am Ende doch, sie zu ueberzeugen mich allein zu lassen...

Mata ne
Kira

Sonntag, 7. November 2010

Urlaub auf Amerikanisch - Toyama

In Takayama angekommen, teilte ich Mario-san (Nanakos Freundin) meinen Plan mit, versuchen zu wollen, nach Shirakawago zu trampen. Der Bus war doch recht teuer und bisher hatte ich damit ja immer Glueck gehabt. Sie meinte, dass ich gar keine schlechten Chancen haette, weil dieses Dorf sehr beruehmt ist und viele Leute dorthin fahren.

Allerdings war die Stadt selbst kein guter Startpunkt und so fuhr Mario-san mich ein paar Kilometer weiter, zu einer "michi no eki" - was uebersetzt so viel wie "Strassenbahnhof" heisst und nichts weiter ist, als eine Raststaette.
Dort half sie mir sogar, einen alten Pappkarton mit meinem Wunschziel auf Japanisch zu beschriften. So wuerde ich bestimmt jemanden finden, der mich mitnahm.
Zum Abschied kaufte sie mir ein paar Kekse und versprach, in zwei Stunden wieder vorbeizukommen um mich aufzulesen, falls ich keinen Erfolg gehabt haben sollte. Dann wuerde sie mich zum Bahnhof bringen, wo ich doch noch den Bus nach Shirakawago nehmen koennte.

So verabschiedeten wir uns und ich lenkte meine Schritte, das Pappschild unter dem einen Arm, erstmal Richtung Toilette.
Als ich die Kabine verliess, stand an den Waschbecken bei meinem Rucksack eine Dame, die offensichtlich auf mich wartete und fragte, ab dieses Gepaeck mir gehoere.
Ich befuerchtete schon, ich haette meine Sachen dort widerrechtlich abgestellt (obwohl ich keine Verbotsschilder sehen konnte, aber die Japaner sind in vielen Dingen etwas eigen) und wollte mich schon entschuldigen, als die Frau auf das Pappschild zeigte und sich erkundigte, ob ich dorthin wolle.
Ich bejahte, woraufhin sie davonwuselte, mir ungeduldig winkend, ich solle ihr folgen.
Im Gehen erzaehlte sie mir, sie und ihr Mann kaemen an Shirakawago vorbei und koennten mich dort absetzen.

Hat man von so unverschaemten Dusel schon gehoert? Waere ich aberglaeubisch, wuerde ich vermuten, dass dafuer das Pech eines Tages geballt ueber mich hereinbrechen muesse...

Wir quetschten also meinen dicken Rucksack in den Kofferraum und fuhren los. Unterwegs schrieb ich Mario-san noch eine kurze SMS, dass ich Erfolg gehabt habe und sie sich nicht weiter Sorgen muesse.
Die Fahrt verlief still. Das Ehepaar redete viel miteinander auf schnellem Japanisch und fragten mich kaum aus. Doch das war mir sehr recht. Ich war etwas muede und so konnte ich einfach aus dem Fenster gucken und die herbstlich-bunte Landschaft vorbeisausen sehen. Ein Auto war doch etwas Schoenes. Jedenfalls in manchen Situationen. Ansonsten bleibe ich meinem Rad treu.

Wir waren nach meinem Zeitgefuehl vielleicht gerade eine Dreiviertelstunde gefahren, da wiesen sie nach rechts, wo sich ein kleines Dorf malerisch in ein Tal schmiegte. Dort laege Shirakawago, erklaerten sie mir.
Ich konnte von hier noch kein einziges Strohdach erspaehen und dachte, ich haette mir das alles vielleicht falsch vorgestellt, doch als wir die kleine Dorfstrasse entlangfuhren, hoerten die Backstein- und Betonhaueser an einer Stelle urploetzlich auf und stattdessen erhoben sich strohgedeckte Huetten gen Himmel, der mit seiner azurblauen Farbe einen tollen Kontrast herstellte.

Diese, von der UNESCO als Weltkulturerbe erklaerten Huetten werden auch "gassho-zukuri" genannt, was soviel wie "betende Haeuser" bedeutet, da die Daecher wie zwei, zum Gebet aneinandergelegte Haende aussehen.

Hier verabschiedete ich mich von dem netten Ehepaar, das spontan beschlossen hatte, sich die Sache auch einmal anzusehen, wo sie schon einmal dort waren.
Ich suchte erstmal einen Supermarkt auf, um dort mein Schild in einem der Muelleimer loszwerden und mir etwas zu trinken zu kaufen.

Als ich das Geschaeft wieder verliess, traf ich an der Strasse ein Paerchen, die Taiwanesin Emily und den Muenchner Markus. Wir verstanden uns gleich gut und nachdem wir fuer Markus eine Post gefunden hatten, wo er Geld abheben konnte, schlenderten wir gemeinsam durch das Dorf.
Sie zeigten mir sogar ein Infobuero, wo man Busfahrkarten kaufen und sein Gepaeck einlagern konnte. Das tat ich auch sofort mit meinem schweren Rucksack.

So erleichtert fuehrten wir unseren kleinen Spaziergang fort, ich wurde sogar auf einen Kaffee eingeladen, bis es fuer die beiden Zeit war, ihr Gepaeck zu holen und sich zur Bushaltestelle zu begeben. Sie wollten die Nacht in einem anderen, kleineren Gassho-Zukuri-Dorf (Ainokura) verbringen, das von Touristen nicht so ueberlaufen war.

Auch ich hatte vorgehabt, in einer der beruehmten Huetten zu uebernachten und mich zuvor in der Touristeninformation nach einem freien Platz erkundigt, doch da genau an diesem Tag ein Festival stattfand, war alles schon lange ausgebucht. Die Dame musterte mich daraufhin abschaetzend und fragte, wie hoch mein Budget sei, fuer 30.000 Yen sei sicher noch etwas in einem der besseren Hotels zu finden. (Das entspricht in etwa 300 Euro!)
Nun, ich brauche hier niemandem etwas vorzumachen - mein Budget hatte unter diesen Umstaenden nicht einmal fuer eine Stunde in einem dieser Hotels gereicht.

So beschloss ich, die Nacht in den Bergen in meinem Zelt zu verbringen. Markus hatte mir erzaehlt, dass er mit Emily zu einem Aussichtspunkt gegangen war, der nur etwa 10 Minuten entfernt lag und dort gaebe es genug Moeglichkeiten unbehelligt zu campen.

Also machte ich mich auf den Weg, um mir die Sache anzusehen. Die Aussicht auf das Dorf war wirklich herrlich und runherum gab es viele Buesche, unter denen ich mein Zelt aufschlagen konnte.
S0 machte ich mir einen restlichen schoenen Tag im Dorf, kaufte ein Gastgeschenk fuer Kati und heisse Maissuppe in der Dose, Milchbroetchen, Mohrrueben und eine Flasche Wasser als Proviant.
Ich wurde nicht ins Tal zurueckkehren, da ich oben am Aussichtspunkt ein Schild zur Autobahn gesehen hatte, wo ich morgen zunaechst mein Glueck versuchen wollte, Richtung Toyama zu trampen.

Gegen halb sechs, als es langsam daemmerte, holte ich meinen Rucksack von der Information und stieg den Berg hinauf. Als ich mein Zelt aufgebaut und mein Abendbrot aus Maissuppe und Broetchen unter dem schoenen Ausblick verspeist hatte, war es schon ganz dunkel.
Nun schimmerten nur noch die entferten Lichter der erleuchteten Fenster und Shemen der Huetten zu mir hinauf, die von einem grossen Strahler sanft beleuchtet wurden. Ich fragte mich, ob man unter diesen Umstaenden eine gute Nacht dort unten verbringen konnte, mit dem Strahler, der heller schien als der Mond...

Oft hielten Autos und Menschen stiegen aus, die diese Szenerie ebenfalls geniessen wollten. Auch, als ich schon lange in meinem Schlafsack lag, hoerte ich dann und wann Autotueren knallen, Schritte auf knirschendem Kies, die an meinem Zelt vorbeikamen und ab und zu Geraschel im Gebuesch. Gedaempft erklang die Trommelmusik des Festivals sogar noch bis hierher und wiegte mich in den Schlaf. Dennoch konnte ich nicht wirklich tief schlafen, aber dafuer genoss ich am naechsten Morgen die frische Luft und den Sonnenaufgang ueber den Bergen umso mehr.

Ich fruehstueckte, packte in aller Ruhe meine Sachen und begab mich auf die kleine Strasse Richtung Autobahn.
An einer Abzweigung zoegerte ich. Ich zog meine Karte zu Rate, konnte aber nicht entscheiden, welcher Weg besser sei. Beide fuehrten zu unterschiedlichen Autobahnen und es gab leider keine direkte Verbindung nach Toyama. Ein Auto fuhr langsam an mir vorbei, bog in die rechte Strasse ein und als es schon fast ausser Sicht war, hielt es in einer Kurve an.
Ich sagte mir, wenn ich diese Strasse waehlte, haette ich vielleicht die Chance, dass mich der Fahrer moeglicherweise mitnahm... Und genau so war es. Als er sah, welchen Weg ich waehlte, stieg er aus und kam auf mich zu. Offensichtlich hatte er nur darauf gewartet, wie ich mich entscheiden wuerde.

Er war Rentner und wollte heute einen Ausflug in die Naehe von Kamikochi, nach Nagano machen. Wir luden gemeinsam meinen Rucksack in den Kofferraum und ich bedankte mich mehrmals. Ich war froh, dass ich mal wieder so einfach einen Lift gefunden hatte. Mir war momentan auch egal, wohin es ging. Zeit hatte ich genug - bei Kati hatte ich mich erst fuer morgen angemeldet und solange er mich in irgendeinem Ort ablud, wo ich eine Zug nehmen konnte, war es mir recht.

Wir fuhren die kleine, enge Bergstrasse entlang, die sich oft wand und links und rechts mit den herrlichen bunten Baeumen bewachsen war. Sonst gab es nichts. Nur Berge und Baeume fuer mindestens eine Stunde! Da waere ich schoen gewandert mit meinem schweren Rucksack!

Doch auf diese Weise konnte ich diese wunderschoene Landschaft geniessen. Mein Sankt Martin war auch ein freundlicher, unterhaltsamer Genosse.

Er war etwas betruebt, dass er mir nicht sehr weit helfen konnte, denn nach dieser Bergstrasse musste ich nach Westen und er gen Norden, nach Nagano. Er redete sehr schnelles Japanisch und es war fuer mich wirklich anstrengend ihm zu folgen und alles zu verstehen.
Aber die Muehe lohnte sich, denn er fragte mich, ob ich heute noch etwas vorhabe, und nachdem ich verneinte, lud er mich ein, mit ihm den Ausflug nach Nagano zu machen. Gluecklich sagte ich zu, denn als ich damals bei Kazuko-san gearbeitet hatte, wollte ich unbedingt in die Berge nach Kamikochi und dass mir das nun wider Erwarten doch vergoennt war, sah ich als wahres Geschenk.

Wir fuhren eine ganze Weile durch laendliche Gegenden, ab und zu musste sich auch mein Ojiisan nach dem Weg erkundigen, trotz neustem Navigationssystem.

Schliesslich waehlte er eine kleine Strasse und wir fanden uns inmitten eines Gebirges wieder.
Hier gab es sogar eine Seilbahn, mit der man fahren konnte. Er war ganz versessen darauf, sie mir zu zeigen und so warteten wir einige Minuten, bis sie sich in der Ferne in unser Blickfeld schob.
Wir standen auf einer Art Plateau und er erklaerte mir, dass das eigentlich ein Hubschrauberlandeplatz war.

Von hier bot sich eine besonders schoene Aussicht!

Als wir uns nach etwa einer halben Stunde auf den Weg zurueck zum Auto machten, fragte Ojiisan mich, wie mein Verhaeltnis zu Onsen stuende und war hocherfreut, als ich erzaehlte, ich moege sie dermassen gern, dass ich am liebsten einen davon nach Stuttgart importieren wuerde!
Er wollte mir gerne eine sehr beruehmte heisse Quelle zeigen, die ganz in der Naehe war.
Und dann lud er mich dorthin ein!
Spaeter, als wir uns sauber und erhitzt im Warteraum wieder trafen, wollte er gern noch etwas essen, bevor es weiterging. Und auch hier war ich machtlos gegen seine Grosszuegigkeit, denn fuer ihn stand es ausser Frage, dass er mich auch noch zum Essen einlud! Es gab Udon mit dicken Nudeln und schmeckte herrlich...

Nach diesem magenwaermenden Mahl brachen wir auf. Ojiisan wollte mich an einer michi no eki absetzen, da ich von dort mehr Erfolg haette, ein Auto nach Toyama zu finden. Er wohnte naemlich in Nagoya und das lag an der Ostkueste - also genau entgegengesetzt von meinem Zielort.
Doch die erste Raststaette kam und ging, ohne dass er auch nur die Geschwindigkeit aenderte. Auf meinen fragenden Blick hin meinte er nur, etwas weiter sei eine andere, die geschickter laege.
Allerdings stellte sich das "etwas weiter" als gute 15 Kilometer heraus.
Aber auch hier hielt er nicht und als ich ihn, nun wirklich verwundert fragte, warum er weiterfuehre, da erklaerte er mir, nicht alle Menschen seien nett und er wuerde sich einfach Sorgen um mich machen und daher lieber direkt nach Toyama bringen!
Natuerlich versuchte ich, ihm das auszureden, doch es war vergebens. Ihm mache das Autofahren ohnehin Spass, deshalb solle ich mir keinen Kopf machen...

Das sagt sich so leicht. Immerhin brachte ich ihn um einen erholsamen Tag.
Als wir in Toyama ankamen, sah er auch wirklich muede aus und ich wollte ihn gern auf einen Kaffee einladen, doch den schlug er einfach aus! Nachdem ich meine Sachen ausgeladen hatte, verabschiedete er sich auch gleich von mir und brauste winkend davon.
Ich stand, von meinem Dusel noch immer etwas ueberrumpelt, am Strassenrand und musste mich erstmal sortieren. Eigentlich hatte ich ja erst am naechsten Tag hier ankommen wollen...

So setzte ich mich erstmal bei einem Springbrunnen auf eine Bank und uebelegte. Zwar war es unwahrscheinlich, dass Kati meine Nachricht rechtzeitig lesen wuerde, aber ich schrieb ihr von meinem Handy aus trotzdem erst einmal eine E-mail, erklaerte die Situation und bat sich, mich schon heute Nacht bei sich aufzunehmen. (Ich traute mich nicht, sie anzurufen, weil sie um diese Zeit vielleicht gerade arbeitete. Sie unterrichtet Englisch und mitten in ihrer Stunde anzurufen war bestimmt nicht gern gesehen)
Dann machte ich mich auf den Weg zum Bahnhofsgebaeude, denn dort konnte ich mich schonmal nach guenstigen Unterkuenften und einem Internetcafe erkundigen. Ein Businesshotel gab es in der Naehe fuer 1.900 Yen und Internetzugang sogar sehr guenstig direkt im zweiten Stock des Bahnhofs.

Also erkundigte ich mich zunaechst in dem Hotel nach freien Zimmern. Doch auch hier war aufgrund eines Festivals alles ausgebucht. Dann stand es wohl mit den anderen billigen Unterkuenften aehnlich.
Deshalb suchte ich am Bahnhofs-PC nach Internetcafes in der Naehe. Dann wuerde ich die eine Nacht eben dort verbringen. Das war auch weitaus flexibler, falls Kati mich doch noch kontaktieren sollte. Ich hatte auch Erfolg und fand eines, keine zwei Strassen weiter.

Ich schulterte wieder meinen Rucksack und machte mich auf den Weg um herauszufinden, ob man dort schlafen konnte. (Ist zwar normalerweise so, aber man kann nie wissen...)
Als ich an der Kreuzung ankam, wo es haette sein sollen und ich mich gerade bei einem netten Restaurantbesitzer danach erkundigte, hoerte ich auf einmal hinter mir jemanden meinen Namen rufen.

Es war Kati!
Sie kam auf mich zugeradelt und laechelte.
Was fuer ein Zufall aber auch! Sie hatte meine E-mail natuerlich noch nicht gelesen, war aber gerade auf dem Heimweg von einem Arztbesuch.
Gluecklicherweise war es auch kein Problem fuer sie, mich schon heute Nacht zu beherbergen. Im Gegenteil. Ihr Freund war zur Zeit auf Geschaeftsreise in China und sie langweile sich zu Tode.
Sie lachte nur ueber meine "unangemessene Ruecksichtsnahme", wie sie es ausdrueckte.

Ihr Appartement war auch gar nicht weit entfernt. Nach nur 10 Minuten standen wir schon davor und sie erklaerte mir die PIN-Nummer fuer den automatischen Tueroeffner.
Die Wohnung war ein wenig kleiner als die von Claus, aber definitiv groesser als Lottis. Es gab ein relativ grosses Badezimmer, die Kuechenzeile befand sich nicht eingeklemmt im Flur, sondern in einem kleinen Vorzimmer und das Schlaf- oder Wohnzimmer liess sich mit Faltwaenden abtrennen. Dort passten leicht vier Matratzen nebeneinander und ich bekam auch sofort meine eigene Ecke. Kati stellte mir sogar einen kleinen Tisch hinein, worunter und worauf ich meine Sachen unterbringen konnte.

Die folgenen Tage waren sehr erholsam. Ich tat nicht besonders viel. Da Kati meisstens von Nachmittags bis Abends arbeitete, standen wir erst spaet auf, fruehstueckten, gingen einkaufen, kochten gemeinsam Mittagessen, redeten und alberten viel herum und manchmal kamen ihre Freundinnen zu Besuch.
Ihre beste Freundin kannte sie schon ihr ganzes Leben. Jules war auch Amerikanerin und wohnte im selben Gebaeude. Auch ihr Freund hauste nur zwei Stockwerke ueber ihr.
Das war natuerlich sehr praktisch fuer Kati. So war sie zumindest nie alleine.

Sie unterrichtete mich auch in Amerikanischer Kueche. So durfte ich Pancakes mit Ahornsirup, Oatmeal (In Wasser gekochte Haferflocken mit Rosinen) und diverse Smoothis aus Fruechten, Milch, Haferflocken, Erdnussbutter u. v. m. kosten. Allerdings stellte ich fest, dass ich Erdnussbutter ueberhaupt nichts abgewinnen kann!

Ab und zu unternahmen wir auch Ausfluege.
In Toyama gibt es viele schoene Orte und ein paar interessante Museen, die ich erkundete, wenn Kati gerade arbeitete.

Einer meiner Lieblingsplaetze wurde der "Berg der 1.000 Buddhas". Der Name an sich erklaert schon ziemlich gut, worum es sich dabei handelte.
Unendlich viele Steinfiguren reihten sich dicht an dicht den Huegel hinauf und dazwischen gab es eine ausgetretene Steintreppe, die man bis zum Gipfel erklimmen konnte.
Von dort aus hatte man eine tolle Sicht auf die Stadt. Leider gefiel das scheinbar auch den Muecken sehr gut, denn lange konnten wir dort nicht verweilen, ohne aufgefressen zu werden. Dabei war es schon Ende Oktober!

Am Wochenende hatte Kati frei und so machten wir alle zusammen einen Ausflug nach Kurobe.
Das ist eine huebsche kleine Stadt in den Alpen, inmitten unberuehrter Natur an einem grossen Fluss.

Hier konnte ich auch meine ersten Japanmakaken hautnah sehen - und natuerlich fotografieren! Ich hatte schon bei Nanako einen dieser rotgesichtigen Affen gesehen, aber nur vom Auto aus, wie er auf einem Baum sass.
Hier sassen sie auf der Strasse! Und auf den Gleisen der kleinen Gebirgsbahn, mit der wir spaeter weiterfahren wuerden.
Sie wanderten ganz gemaechlich herum, als wuessten sie, dass man ihnen hier nichts antun wuerde. Das war wirklich um einiges beeindruckender als im Zoo.










Die Einwohner schienen das gewohnt zu sein, denn sie beachteten die Affen kaum. Fast so, als handele es sich um streunende Katzen...

Leider kamen bald noch mehr Touristen hinzu und das wurde den Tieren dann wohl doch ein wenig zu viel und sie verzogen sich hinter eine Absperrung des Bahnhofs.

Also liessen wir sie in Ruhe und gingen unsere Fahrkarten fuer die kleine Gebirgsbahn kaufen.
Wir entschieden uns fuer die offene Variante, die nur ein Dach, aber keine Waende hat, denn es war zwar bewoelkt, regnete aber nicht.
Wir fuhren am Grat einer tiefen Schlucht entlang, die der Fluss geschaffen hatte und sich dort breit und von tuerkies-blauer Farbe noch immer entlangwaelzte.
Einen Staudamm gab es auch zu bewundern und viele kleine und grosse rote Bruecken, die sich ueber die Schlucht spannten.

Wir stiegen an einem kleinen Bahnhof aus, wo das Bahnhofsgebaeude und ein Restaurant die einzigen Gebaeude waren, und gingen zum Fluss hinunter. Reissend bahnte er sich seinen Weg, machte aber troztdem kaum Laerm dabei.
Wir wollten in einen Onsen gehen, den es hier geben sollte, aber wir hatten das wohl ein bisschen falsch verstanden, denn es handelte sich dabei um keinen, wie ich sie bisher kennen gelernt hatte.
Am Rand des Flusses, wo eine Menge Geroell und riesige Steine lagen, bildeten diese natuerliche Becken im Boden, in denen sich Wasser gesammelt hatte. Doch kein Flusswasser, denn diese kleinen Lachen waren richtig heiss und Dampf stieg in die kalte feuchte Luft...

Wir planschten mit den Fuessen in den Becken, bauten Sandburgen, liessen Steine huepfen und kletterten ueber die Felsen am Ufer entlang. Es war ein schoener Nachmittag und wir gingen erst, als es leicht zu nieseln anfing.

Ausserdem hatten wir uns beim Verlassen des Bahnhofs fuer einen bestimmten Zug zurueck anmelden muessen und dieser wuerde auch demnaechst fahren.
Die Rueckfahrt war nicht mehr sehr angenehm. Bis auf unsere Fuesse waren wir ziemlich unterkuehlt und der Fahrtwind blies uns frisch und tropfengeschwaengert entgegen. Doch das konnte unsere Stimmung nicht trueben, hatten wir doch einen schoenen Tag gehabt!



Auf diese Weise verging mein Urlaub in Toyama wie im Flug. Zumal ich jeden Tag Katis Laptop zur Verfuegung hatte und dieses sogar ueber Internet verfuegte. Endlich konnte ich mal wieder nach Herzenslust viele Stunden am PC verbringen, Filme auf YouTube sehen, Onlinebuecher lesen (obwohl es sogar eine Buecherrei direkt gegenueber mit einer kleinen Englischen Abteilung gab) und mit meiner Familie skypen!

Das Essen war natuerlich auch ausnahmslos westlich: Toast mit Marmelade, Haferflocken, Spaghetti in allen Variationen und das Wichtigste: Schwarztee mit Milch! Das vermisste ich ganz besonders! Misosuppe zum Fruehstueck war zwar auch nicht uebel, aber gegen meinen gewohnten Schwarztee kam einfach nichts an und ich konnte ihn sogar Kati schmackhaft machen, die sonst nur Kaffee trank.

Allzu bald war diese herrliche faule Zeit leider vorbei und der Tag der Abreise naehrte sich. Aber irgendwie freute ich mich auch schon wieder darauf, etwas Neues zu sehen und wieder etwas Sinnvolles zu tun. Zum Abschalten war der Urlaub genau richtig gewesen, aber mein Auslandsjahr wollte ich hauptsaechlich schon etwas Erlebnisreicher gestalten...

Kati stand mit mir am Morgen frueh auf und begleitete mich noch bis zum Bahnhof. Dann verabschiedeten wir uns, ich versprach zu schreiben und machte mich schliesslich auf den Weg zum Zug Richtung Gifu. Diesmal ging es allerdings nicht nach Gero, sondern nach Kashimo, ein Ort etwas weiter oestlich. Ich hatte diese Familie mit zwei kleinen Jungs bereits bei Nanako-san angeschrieben und die Zeit dort versprach sehr interessant zu werden. Ich war schon gespannt, was mich wohl erwartete...

Mata ne
Kira